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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 28.04.2004
Aktenzeichen: 3 U 10/04
Rechtsgebiete: VVG
Vorschriften:
VVG § 174 |
Beabsichtigt er letzteres, so hat der Versicherer den Versicherungsnehmer hierüber vor der Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung aufzuklären.
Oberlandesgericht Oldenburg Urteil Im Namen des Volkes!
Verkündet am 28.04.2004
In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... , den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 10. Dezember 2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger hatte bei der Beklagten einen Lebensversicherungsvertrag mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geschlossen. Daneben bestand eine weitere Lebensversicherung sowie bei einem Schwesterunternehmen der Beklagten eine Unfallversicherung.
Im April 2000 erlitt der Kläger beim Sport eine Achillessehnenruptur links, die stationär behandelt werden musste. Dieses Vorkommnis meldete der Kläger über die Versicherungsagentur J... in W... der Unfallversicherung. Anfang Juni 2000 wandte sich der Kläger, der sich wegen seiner Scheidung in einem - voraussehbar in ein bis zwei Jahren überwundenen - finanziellen Engpass befand, erneut an die Versicherungsagentur J..., kündigte die andere Lebensversicherung und beantragte bei der Beklagten die Beitragsfreistellung der streitgegenständlichen Lebensversicherung. Mit Schreiben vom 21. Juni 2000 teilte ihm die Beklagte mit, dass die Lebensversicherung ab 1. Juli 2000 wunschgemäß in eine beitragsfreie Versicherung umgewandelt werde. Weiter heißt es:
"Sie haben auch zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit, den ursprünglichen Versicherungsschutz wiederzuerlangen....Geben Sie uns dann bitte Nachricht, damit wir Ihnen ein entsprechendes Angebot unterbreiten können.
Die Wiederherstellung des Versicherungsschutzes ist möglich, wenn die erneute Risikoprüfung keine Bedenken ergibt." (Bl. 13)
Im Oktober 2001 erbat der Kläger ein entsprechendes Angebot, das die Beklagte auch unterbreitete, allerdings vorbehaltlich einer erneuten Risikoprüfung. In der mitübersandten Gesundheitserklärung gab der Kläger auf die Frage, ob er in den letzten 5 Jahren ambulant oder in den letzten 10 Jahren stationär ärztlich beraten, behandelt oder untersucht worden sei, als Datum April 2000 an und verwies im Übrigen auf die Schadensnummer der Unfallversicherung. Mit Schreiben vom 25. Januar 2002 erklärte die Beklagte, dass die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nur unter der Bedingung übernommen werde könne,
"dass die Folgen des Unfalls vom 18.04.2000 eine Leistung aus der BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung nicht bedingt und bei der Festsetzung des Grades der Berufsunfähigkeit aus anderen gesundheitlichen Gründen unberücksichtigt bleibt."
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte dürfe die Wiederherstellung des ursprünglichen Versicherungsschutzes nur wegen solcher risikoerhöhenden Gesundheitsbeeinträchtigungen verweigern, die nach der Beitragsfreistellung eingetreten seien. Abgesehen davon liege ein Verstoß der Beklagten gegen ihre vertraglichen Aufklärungspflichten vor. Angesichts dessen, dass ihr oder zumindest ihrem Versicherungsagenten J..., dessen Wissen sie sich zurechnen lassen müsse, der kurz zuvor erlittene Unfall bekannt gewesen sei, hätte sie den Kläger darüber aufklären müssen, dass er bei Beitragsfreistellung Gefahr laufe, dass der Eintritt der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung für die Unfallfolgen bei einer Wiederherstellung des Versicherungsschutzes ausgeschlossen werde. Bei hinreichender Aufklärung hätte er sich gegen eine Beitragsfreistellung entschieden und den Vertrag unverändert fortgeführt.
Das Landgericht hat die auf Wiederherstellung des ursprünglichen Lebensversicherungsvertrages nebst Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gerichtete Klage abgewiesen. Dem Versicherer stehe es frei, die Bedingungen festzulegen, zu denen das Vertragsverhältnis wiederauflebe. Eine Verletzung von Beratungspflichten falle dem Versicherer nicht zur Last. Dem Schreiben vom 21. Juni 2000 sei klar zu entnehmen, dass eine erneute Risikoprüfung stattfinde. Weiterer Belehrungen habe es nicht bedurft.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Die Beklagte behauptet, der Kläger sei von der Versicherungsagentin J... hinreichend beraten worden. Im übrigen bestreitet sie, dass der Kläger bei noch weitergehender Beratung den bestehenden Vertrag weitergeführt hätte. Der Kläger sei seinerzeit in so großen Geldschwierigkeiten gewesen, dass er eine ihm vorgeschlagene vorübergehende Umstellung auf eine kostengünstigere Risikoversicherung abgelehnt habe. Als Alternative zur Prämienfreistellung habe es für den Kläger nur die Kündigung der Versicherung gegeben.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte nicht zu. Zwar hat die Beklagte gegen ihre vertragliche Aufklärungspflicht verstoßen. Der Kläger hat aufgrund dessen jedoch keinen Schaden erlitten.
Zu Unrecht meint der Kläger, die Beklagte hätte die Wiederherstellung des ursprünglichen Versicherungsschutzes nur hinsichtlich solcher Gesundheitsbeeinträchtigungen verweigern dürfen, die nach der Beitragsfreistellung eingetreten seien. Bei Umwandlung einer Lebensversicherung in eine prämienfreie Versicherung vermindert sich der Versicherungsschutz auf den in § 174 Abs. 2 VVG genannten Betrag. In Höhe des darüber hinausgehenden Betrages erlischt die Versicherung (BGHZ 13, 226, 234). Eine mit der Lebensversicherung verbundenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung entfällt (vgl. Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. § 174 Rn 6). Ein Anspruch auf spätere Erhöhung des Versicherungsschutzes ergibt sich weder aus dem VVG noch aus den hier vereinbarten ALB und BBBUZ. In einem solchen Fall ist die Wiederherstellung des ursprünglichen Versicherungsschutzes wie ein Neuabschluss anzusehen (BGH VersR 1994, 39, 40). Der Versicherer ist daher weder gehindert, eine erneute Risikoprüfung durchzuführen, noch in diese auch solche Gesundheitsschäden einzubeziehen, die bereits vor der Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung eingetreten sind.
Zu Recht wendet sich der Kläger aber gegen die Auffassung des Landgerichts, die Beklagte habe mit dem Schreiben vom 21. Juni 2000 ihren Aufklärungspflichten genügt. Zwar bedarf es grundsätzlich keiner Belehrung darüber, dass der Versicherer zu einer späteren Wiederherstellung des Versicherungsschutzes nur nach erneuter Gesundheitsprüfung bereit ist, weil ein Versicherungsnehmer ernsthaft nicht erwarten darf, dass ein Versicherer zu einer Wiederherstellung bereit ist, ohne zu prüfen, ob sich der Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers seit der Prämienfreistellung nicht deutlich verschlechtert und damit das Risiko erhöht hat (vgl. OLG Karlsruhe r+s 1996, 286, 287). Anders ist dies aber, wenn der Versicherer - wie hier - in die erneute Gesundheitsprüfung vor der Wiederherstellung des Vertrages auch solche Gesundheitsschäden einbeziehen will, die bereits vor der Prämienfreistellung vorhanden waren und u.U. sogar allein wegen solcher Umstände den Versicherungsschutz ablehnen oder einschränken will. Da eine derartige wenig kundenfreundliche Verfahrensweise für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer fern liegt und auch weder den ALB noch den BBBUZ explizit zu entnehmen ist, bedarf es eines ausdrücklichen Hinweises des Versicherers auf diese Handhabung. Eine entsprechende Aufklärung ist hier unstreitig nicht erfolgt.
Grundsätzlich könnte der Kläger demnach einen Anspruch gegen die Beklagte aus pVV haben, der auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet wäre. Der Kläger wäre mithin so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Belehrung gestanden hätte. Nach seiner Behauptung hätte er sich dann gegen eine Beitragsfreistellung entschieden und den Vertrag in der alten Form weitergeführt, so dass es nicht zu einem Schaden in der Form des teilweisen Verlustes des Versicherungsschutzes gekommen wäre.
Von einem solchen Geschehensablauf ist jedoch zur Überzeugung des Senats nicht auszugehen. Ob bei einer Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten durch den Versicherer - abweichend von dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass der Geschädigte die Verursachung des Verletzungserfolges durch die unterlassene Handlung zu beweisen hat - die Darlegungs und Beweislast stets den Schädiger trifft (so für den Versicherungsmakler BGH VersR 1985, 930, 931 unter Verweis auf die st. Rspr. seit BGHZ 61, 118; Kollhosser in Pröss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 43 Rn. 38; a.A. OLG Karlsruhe VersR 1994, 1169; Langheid in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 43 Rn. 53), erscheint dem Senat zumindest für Fälle zweifelhaft, in denen es nicht von vorneherein nahe liegt, dass der Schaden bei sachgerechter Aufklärung vermieden worden wäre, sondern in denen dem Versicherungsnehmer, wie hier, eine Mehrzahl von Möglichkeiten offengestanden hätten, unter denen er nach seinen jeweiligen ökonomischen Möglichkeiten und Interessen eine autonome Wahl hätte treffen können und müssen. Dies kann jedoch im zu entscheidenden Fall letztlich dahinstehen. Für die Beantwortung der Frage nach der haftungsausfüllenden Kausalität, d.h. ob die Vertragsverletzung den Schaden verursacht hat, ist nach ständiger Rechtsprechung keine sichere Gewissheit im Sinne einer vollen Überzeugung des Gerichts erforderlich, weil ein strenger Beweis oft kaum zu führen ist. Diese Frage ist vielmehr vom Richter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden (BGH NJW 2002, 505; VersR 1985, 265, 930), wobei eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit ausreicht.
Unstreitig befand sich der Kläger seinerzeit aufgrund der mit der Trennung von seiner Ehefrau verbundenen Lasten in einer finanziell äußerst angespannten Situation. Die Zeugin Breite, geborene J... hat glaubhaft bekundet, der Kläger sei deshalb im Juni 2000 zu ihr gekommen. Er habe zunächst beide Lebensversicherungen kündigen wollen, um die monatlich zu zahlenden Prämien einzusparen. Ihm seien als Alternativen zur Kündigung die Herabsetzung der Versicherungssumme, eine vorübergehende Umwandlung in eine um den Sparanteil der Lebensversicherung kostengünstigere Risikolebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, eine Stundung der Prämien für bis zu sechs Monate und die Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung angeboten worden. Der Kläger habe sich für die Kündigung der anderen Lebensversicherung und die Beitragsfreistellung der streitgegenständlichen Versicherung entschieden, um von den monatlichen Prämienzahlungen völlig entlastet zu werden. Eine Stundung sei nicht in Frage gekommen, weil zum einen der Maximalzeitraum von sechs Monaten zu kurz gewesen sei, und sich der Kläger zum anderen nicht in der Lage gesehen hätte, die gestundeten Beträge anschließend in einer Summe nachzuzahlen. Die niedrigeren Beiträge bei herabgesetzter Versicherungssumme bzw. bei Umwandlung in eine Risikolebensversicherung seien dem Kläger zu hoch gewesen.
Danach steht zur Überzeugung des Senats mit dem nach § 287 ZPO erforderlichen und ausreichenden Beweismaß fest, dass der dem Kläger entstandene Schaden, d.h. der partielle Verlust des Versicherungsschutzes, nicht durch die Verletzung der der Beklagten obliegenden Aufklärungspflicht verursacht worden ist. Der Kläger war mit dem Ziel zur Versicherungsagentur J... gekommen, seine Lebensversicherungsverträge zu kündigen, um so seine monatlichen Prämienzahlungsverpflichtungen auf Null zu reduzieren. An letzterem Ziel hat er auch nach der Darstellung verschiedener Möglichkeiten zur Fortsetzung der Versicherung mit reduzierten Monatsprämien festgehalten. Es mag sein, dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung über den möglicherweise eingeschränkten Umfang des Schutzes in einer wiederhergestellten Berufsunfähigkeitszusatzversicherung den Vertrag entsprechend seiner ursprünglichen Absicht auch gekündigt hätte. Dafür, dass er sich dann auf einmal trotz fortbestehender finanzieller Schwierigkeiten zu einer Fortführung des Vertrages entschlossen hätte, sind hingegen weder Anhaltspunkte ersichtlich, noch hat der Kläger hierfür irgendeine plausible Erklärung vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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